Ich suchte mehr …

Ich suchte mehr … – denn:
mein Engagement konnte meine Sehnsucht nicht stillen

Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, wo Glaube selbstverständlich mit zum Alltag gehörte. Trotzdem machte mir Gott manchmal Angst.

In mir war der Gedanke „Ich darf Gott nicht enttäuschen, sonst bestraft er mich. Ich muss brav und gut sein, damit er mich und meine Familie beschützt.“ Diese Gedanken hatten sich in mir festgesetzt und bestimmten mich auch als Erwachsene. Mein –- nicht mehr so regelmäßiges – „Beten“ und der sonntägliche Gottesdienst geschahen weitgehend aus Pflichterfüllung und Gewohnheit. Trotzdem verstand ich mich als engagierter Christ, weil ich in der Kinder- und Jugendarbeit, im Pfarrgemeinderat und im Dekanatsrat mitarbeitete. Obwohl ich dabei viele gute Erfahrungen machte, blieb in mir eine Sehnsucht, die ich mit meinem Engagement und meinem Einsatz nicht stillen konnte. Ja, ich fühlte mich oft innerlich leer. Ich suchte mehr.

In dieser Zeit wurde ich auf einen Glaubenskurs aufmerksam. Ich ging zu dem unverbindlichen „Schnupperabend“. Dort wurde mein inneres Suchen nach „mehr“ noch genährt und ich entschloss mich, am gesamten Kurs teilzunehmen. Meine Sehnsucht war neu geweckt worden. In den folgenden Wochen erfuhr ich in mir eine Veränderung. Ich habe gespürt, dass Gott mich ganz persönlich anspricht. In mir war eine „positive Unruhe“, weil ich erfahren durfte, dass Gott mir nahe ist und mich liebt – auch ohne Leistung und Pflichterfüllung.

Deutlich wurde mir dies im Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“. Ich erkannte mich wieder in dem Sohn, der immer pflichtbewusst gegenüber dem Vater seine Arbeit getan hat, aber sein Herz für eine wirkliche Beziehung verschloss. Ich dachte, durch mein kirchliches Engagement würde ich Gott doch kennen, musste aber einsehen: Auch wenn ich durch regelmäßige Gottesdienstbesuche und meine Mitarbeit in Pfarrgemeinde und Dekanat sozusagen in der häuslichen Nähe zum Vater lebte, hatte ich doch – ähnlich wie der Sohn im Gleichnis – keine wirkliche innere Beziehung zu Ihm.

Ob der pflichtbewusste Sohn im Gleichnis das Angebot des Vaters angenommen hat, mit Ihm und seinem Bruder ein Fest zu feiern, bleibt offen. Ich selbst wollte jedenfalls nicht mehr so weiter machen wie bisher. Ich wollte auch persönlich Gott nahe sein, Ihn wirklich in mein Leben hineinlassen. Ich wurde immer mehr fähig, auch meine Nöte und Schwächen vor Gott einzugestehen und Er nahm mich auf wie ein liebender Vater. Ich spürte eine tiefe Freude, weil ich mich von Gott bejaht und geliebt wusste.

So hat sich mein „Beten“ von innen her erneuert. Ich bete heute nicht, weil ich eine Pflicht erfüllen muss, sondern weil ich Gott an meinem Alltag, an meinem ganzen Leben teilhaben lassen möchte. Diese Beziehung zu Gott gibt meinem Leben Tiefe und Fülle und trägt mich im Alltag, besonders wenn es schwer wird und ich mit mir und anderen zu kämpfen habe. Schon in so mancher Not habe ich mich dann an Seine Zusage erinnert: „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Diese Zusage inspiriert auch mein kirchliches Engagement und eröffnet mir neue Perspektiven.

Doris Schmitt, Lehmen