Frucht bringen

Die Zeit der Weinlese hat begonnen. Die Weinberge stehen voll saftiger Trauben – reiche Frucht. Und da habe ich mich an einen Spaziergang im zeitigen Frühjahr vor ein paar Jahren erinnert:

Ich war in Weinbergen unterwegs und traf auf einen Winzer in seinem Weinberg. Dort standen noch die unbeschnittenen Weinreben des Vorjahres, wild, kahl und wie tot. Der Winzer war damit beschäftigt, die Reben zu beschneiden und fest zu binden – Vorbereitung auf den neuen Austrieb und die Frucht des neuen Jahres.

Neugierig fragte ich ihn, woher er denn wisse, was er wegschneiden müsse und was stehenbleiben solle. Er zeigte es mir.

Es lag viel Erfahrung darin. Der Winzer kannte seinen Weinberg und seine Reben. Er wusste genau, wo er schneiden musste, damit die Rebe neu, stark und gesund austreiben konnte. Dazu ist das Beschneiden unabdingbare Voraussetzung. Das alte, tote, ausgelaugte Holz des Vorjahres muss weg. Auch wenn es im letzten Jahr voller Trauben hing, jetzt ist es im Weg. Es muss Platz machen für Neues. Stehen bleibt meist nur ein einzelner kahler Zweig und vielleicht noch eine Knospe. Ich konnte es kaum glauben. „Ja“, sagte der Winzer, „genau das ist notwendig“. Wenn er mehr stehen ließe, gäbe es Wildwuchs, die Trauben bekämen nicht genug Licht und es reife keine gute Frucht. Aber so sprießen aus dem kahlen Ast viele neue, frische Triebe – Fülle über Fülle.

Mich brachten diese Worte und das Tun des Winzers zum Nachdenken.

Wie sieht das eigentlich bei mir aus? Was ist in mir totes, altes Holz, das weggeschnitten werden muss, damit Neues wachsen kann? Damit auch ich neue, reiche Frucht bringen kann.

Jesus sagt im Johannesevangelium (Kap.15): „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. …und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.“
Gott, der mich kennt, wie der Winzer seinen Weinberg – Er weiß auch, wo bei mir das alte, tote Holz weggeschnitten, die Rebe gereinigt werden muss, weil das Alte jetzt im Weg steht.

Beschnitten werden – sich beschneiden lassen von Gott, dem „großen Winzer“ – das ist mit manchem Schmerz verbunden: Liebgewordenes aufgeben, loslassen ist nicht leicht.
Mich vielleicht auch verabschieden von Dingen, die auf meinem bisherigen Weg sogar gut und wertvoll waren und Frucht getragen haben, ist nicht einfach.

Gott möchte, dass jeder Mensch reiche Frucht bringt – auch ich. Und ich darf ihm vertrauen, dass Er nur das „wegschneidet“, was mich daran hindert, was im Wege steht. Und dass aus dem, was stehen bleibt, auch bei mir neue Frucht wächst – Fülle über Fülle.

Andrea Windirsch