„Hier bin ich gefragt!“ Über existenzielle Themen ins Gespräch kommen
Impulstag zur Förderung von Menschen, die ehrenamtlich oder beruflich helfen
Die Vallendarer WeG-Initiative bot nach Veranstaltungen in Trier und Dernbach den für Helfer*innen konzipierten Impulstag nun auch in Vallendar an.
Ja, Helfende sind gefragt – und zwar in einem doppelten Sinn: Einmal als dringend benötigte Begleiter*innen von Menschen, die in Not sind. Aber dann auch als selbst Betroffene: Die Konfrontation mit der existenziellen Not anderer löst in den Helfenden selbst Prozesse und Fragen aus. Diese wahrzunehmen und darüber ins Gespräch zu kommen, war das Ziel des Tages.
P. Hubert Lenz und ein Team der WeG-Initiative begrüßten im Forum Vinzenz Pallotti eine bunt zusammengesetzte Gruppe aus ehrenamtlich und beruflich Helfenden. Bereits in der Vorstellrunde wurde die große Bandbreite an Erfahrungen sichtbar, die die Teilnehmer aus unterschiedlichen Hilfefeldern (Betreuung und Begleitung, Pflege, Fluthilfe, Behinderten-, Telefon- und Krankenhausseelsorge) mitbrachten. Das versprach ein spannender Tag zu werden!
Begegnungen mit Tiefgang: Eisberg „trifft“ Eisberg
Der erste inhaltliche Impuls arbeitete mit dem bekannten Bild des Eisbergs. Es wurde deutlich, wie sehr unsere Begegnungen und unser Umgang mit Anvertrauten immer auch von den existenziellen Themen und Fragen im eigenen Leben geprägt sind. Etwa Fragen nach unserem Umgang mit der Gebrochenheit und Endlichkeit menschlichen Lebens, mit unserem Bedürfnis nach Bejahung und Halt sowie mit eigenen Grenzen und eigener Ohnmacht. Diese grundlegende Erfahrung konnten die Teilnehmer anschließend gut mit Beispielen aus ihren jeweiligen Hilfeerfahrungen unterlegen und konkretisieren.
Der Prozess des Helfenden
Es lag nahe, die existenziellen Prozesse, die in Helfenden ausgelöst werden, noch genauer anzuschauen. In verschiedenen Stationen, die auf dem Boden ausgelegt wurden, wurde dieser Prozess nachgezeichnet: vom Moment des „Einschlags“, wo eine existenzielle Frage uns als Begleitende „trifft“ über mögliche Phasen der Abwehr und des „Dichtmachens“ bis dahin, dass wir innehalten, uns den eigenen existenziellen Erfahrungen stellen und um eine Haltung ringen, die nicht primär von Selbstschutz sondern von der Nähe und Zuwendung zum anvertrauten Menschen geprägt ist. Ein solcher Prozess, so wurde deutlich, ist nur möglich, wenn die Helfenden sich immer wieder Zeit für Unterbrechung und Reflexion nehmen und selbst eine Halt gebende Zuwendung und Wertschätzung erfahren, die es ermöglicht, sich auf Herausforderungen einzulassen.
Durch den auf dem Boden ausgelegten Weg, auf dem sich die Teilnehmer positionieren konnten, fiel es leicht, über persönliche Erfahrungen ins Gespräch zu kommen. „Wer selbst gehalten ist, kann sich auf Nähe und Beziehung einlassen und andere halten!“ war eine zentrale gemeinsame Erkenntnis und Erfahrung.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es intensiv weiter. Mit der Frage „Was ist eigentlich der Mensch?“ brachte Pater Lenz einen entscheidenden Verstehenshintergrund für das Helfen ins Spiel und ebenso für die Frage, warum wir dabei so herausgefordert werden. Als Wesen zwischen Größe und Grenze, zwischen Selbstbestimmung und Ohnmacht, zwischen Sehnsucht und Bedürftigkeit sind wir aufgerufen, zu unserem Leben als Ganzem Stellung zu nehmen, Ja oder Nein zu sagen. Eine solche Positionierung fällt keinem leicht. In einer Zeit der Stille erhielten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich der Frage stellen, was ihnen persönlich hilft bzw. helfen könnte, Ja zu sich selbst und dem eigenen Leben zu sagen.
So vielfältig die gefundenen Antworten auch waren – wertschätzende Begegnungen und verständnisvolle Beziehungen kristallisierten sich als primär entscheidend für die persönliche Stellungnahme heraus. Und in den Worten DA (Mit-Sein / Verbundenheit), DU (Achtung der Person) und JA (Wohlwollen / Bejahung) wurde eine einprägsame Kurzformel für die wesentliche Ressource sowohl des Menschseins als auch des Helfens gefunden.
Dann wurde es nochmal besonders spannend. Die biblische Erzählung der Emmausgeschichte wurde als ein Prozess des Begleitens bzw. Begleitet-Werdens erzählt und mit dem bereits ausgelegten Weg verknüpft. Ein zwar ungewohnter, aber sehr inspirierender Blickwinkel, der neue, spirituelle Deutungen ins Gespräch brachte. Die christliche Botschaft von der unbedingten Zuwendung Gottes zu jedem Menschen kam als mögliche Kraftquelle und Rückendeckung in der Situation des Helfens in den Blick. Die Teilnehmer*innen zeigten sich positiv überrascht, wie gut die biblische Erzählung den Prozess des Helfenden deutet und passgenau spirituelle Perspektiven anbietet. Sie nahmen sie als persönliche Anregung, sich immer wieder auf die Frage nach dem (existenziellen) Halt im eigenen Leben einzulassen, um fähig zu werden, selbst andere zu halten.
Mit diesen Eindrücken kam der Tag an sein Ende. Bei Brot und (einem kleinen Gläschen) Wein bzw. Saft zogen die Teilnehmenden ein durchweg positives Resümee des Tages. Die methodische Gestaltung, die Impulse und der persönliche Austausch mit anderen Helfenden wurden als bereichernd und stärkend empfunden. Eine Teilnehmerin, Leitung einer Wohneinrichtung für Behinderte, brachte es auf den Punkt: „Ich kam mit der Frage, ob dieser Tag etwas für unsere Mitarbeiter*innen ist, und dann war ich plötzlich ganz bei mir selbst!“
Vera Kessler