Beweglich: Glaube als Weg und Prozess
„Was bleiben will, muss sich ändern“
Solange wir leben, verändern wir uns. Wandel und Wachstum sind geradezu Merkmale von Lebendigkeit und Zukunft. Das gilt auch für den Glauben: Wenn er nicht wächst und in die Tiefe geht, verflacht er.
Chancen für Entwicklung liegen vor allem in Situationen, die Bisheriges in Frage stellen und uns mit Neuem und Ungewohntem konfrontieren. Solche Erfahrungen sind Herausforderungen: Wir können ihnen nicht ausweichen und sind gezwungen, Stellung zu beziehen. Wachstum und Reifung sind möglich, wenn wir bereit sind, uns von alten Mustern zu lösen und neue, angemessene Antworten auf die veränderte Situation zu finden.
Glaube als lebenslanger Prozess der Aneignung
Wie im Leben sind wir auch im Glauben entwicklungsmäßig nie „fertig“. An jedem Punkt unserer „Glaubensreise“ können sich überraschende Veränderungen auftun. Gerade als Erwachsene werden wir immer wieder zu Lernenden und Suchenden, die gerufen sind, Neuland zu betreten.
- als kirchlich Verbundene, die zu neuer Gewissheit und Lebendigkeit finden
- als Menschen ohne religiöse Vorgeschichte, die den Glauben ganz neu entdecken
- als solche mit eher lockerem Bezug zu Glaube und Kirche, die erstmals wahrnehmen, welche Schätze hier zu heben sind und wie wertvoll geistliche Gemeinschaft sein kann.
- als solche, deren Verbindung zum Glauben abbrach und die wieder Anschluss finden
„Der Glaube von Erwachsenen bleibt nur lebendig, wenn er die nie abgeschlossenen Lebenserfahrungen durchdringt, sich in Krisen und manchmal durch Brüche hindurch bewährt und bewahrheitet.“ – so heißt es in einem Schreiben der deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2004.
In jeder Lebensphase benötigen Menschen deshalb Impulse und Perspektiven, um sich im Neuen und Unvertrauten zurechtzufinden und darin Gottes Gegenwart und Weg mit ihnen zu entdecken.
Biblische Glaubensprozesse
Die Bibel berichtet immer wieder, wie Menschen Entwicklungsschritte machen und eine neue Lebendigkeit im Glauben erfahren.
In der Erzählung der Emmausjünger wird die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen berichtet. Auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus verändert sich schrittweise dessen Stellung und Beziehung zu den Jüngern: Vom Unbekannten wird Er für sie zunächst zum verständnisvollen und kundigen Begleiter und schließlich erkennen sie Ihn als den auferstandenen Herrn. Diese immer dichter werdende Begegnung mit Jesus verwandelt und schenkt einen Neuaufbruch.
Auch bei der Frau am Jakobsbrunnen erleben wir einen fortschreitenden Entwicklungs- und Erkenntnisprozess. Obwohl ihre Begegnung mit Jesus am Brunnen durch kulturelle Barrieren und Missverständnisse erschwert ist, bleibt sie ihrer Neugier und Sehnsucht auf der Spur. Sie lässt sich – wie die Emmausjünger – auf den Fremden ein und erkennt immer tiefer, wen sie vor sich hat (ein Jude – mehr als der Stammvater Jakob – ein Prophet – der Messias). Und am Ende stellt sie die Frage, die sie am meisten bewegt: Wie kann sie mit Gott in Beziehung treten…?
Es fällt auf, dass in beiden Erzählungen die Protagonisten ihre persönlichen Glaubenserfahrungen nicht für sich behalten, sondern mit anderen teilen und dadurch in diesen Personen eigene Glaubensprozesse in Gang kommen…
Alles beginnt mit der Sehnsucht…
Voraussetzung jeder Gottesbegegnung ist Sehnsucht – und das ist zuerst und vor allem die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen. Ihretwegen wurde Er Mensch und kam uns in Jesus Christus ganz nahe. Doch auch im Menschen ist eine unruhige Suche nach Sinn, nach Erfüllung und Glück, die in der Welt nicht fündig wird …
Gemeinschaft und Austausch bringen Prozesse in Gang
Der eigenen Sehnsucht Raum geben, der Unruhe des Herzens folgen – das ist ein sehr persönlicher Weg. Und doch kann es lohnend sein, sich gemeinsam mit anderen auf einen Glaubensprozess einzulassen und über das eigene Leben und die Frage nach Gott ins Gespräch zu kommen. Unsere Glaubenswege bieten eine gute Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und Spuren Gottes im eigenen Leben zu entdecken.
Wachstum braucht „Nährstoffe“
In der schon genannten Erzählung der Emmausjünger, aber auch in Glaubensbiografien von heute lassen sich „Nährstoffe“ und Wachstumsfaktoren für einen lebendigen Glauben ausmachen:
- mit anderen über das eigene Suchen und Glauben ins Gespräch kommen
- Gottes Gegenwart und Zuspruch persönlich erfahren
- (Alltags-) Leben und Glauben in Verbindung bringen
- ein persönliches Ja zu Gott und Glaube sprechen
- sich vom Wort Gottes ansprechen lassen
- in ein persönliches Beten und eine lebendige Feier der Sakramente hineinwachsen
- die eigene Sendung entdecken: Leben und Glauben mit anderen zu teilen (jeweils gemäß der persönlichen Gaben und Charismen)
Glaubenswege für Erwachsene wollen diese „Nährstoffe“ fördern und damit Entwicklungsprozesse initiieren.